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IPU/KKC-Graduiertenkolleg „Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung“

Die IPU und das am Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie der Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB angesiedelte KKC richten gemeinsam ein interdisziplinäres Graduiertenkolleg zum oben genannten Thema ein. Ab 1. Januar 2023 werden sechs Promotionsstipendien vergeben. Die Stipendien haben eine Laufzeit von drei Jahren mit der Möglichkeit einer Verlängerung um maximal ein Jahr. Das Kolleg wird einen psychoanalytischen und kulturpsychologischen Schwerpunkt verfolgen, aber auch Beiträge aus der Philosophie, Soziologie, Ethnologie, den Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaften sowie inter- und transdisziplinären Feldern wie den Cultural, Gender, Postcolonial, Religious Studies oder der kritischen Migrations- und Rassismusforschung fördern. Diese Perspektiven des Kollegs werden durch Expertisen im Bereich der Klinischen Psychologie und Psychotraumatologie ergänzt.

Perspektive, thematische Ausrichtung und Ziele des Kollegs

Das Graduiertenkolleg stellt sich die Aufgabe, die besonderen Lagen und Herausforderungen in solchen gesellschaftlichen Figurationen zu erforschen und dabei psychologische und soziologische, psycho- und sozioanalytische Perspektiven ins Zentrum zu rücken, aber auch andere disziplinäre Blickwinkel – etwa ethisch-moralische, politische, mediale oder rechtliche – zu berücksichtigen.

Für die Linderung des vielfältigen Leids unterschiedlich betroffener Subjekte spielt nicht nur die soziale Unterstützung und im Bedarfsfall die therapeutische Behandlung, sondern auch die öffentliche Artikulation, die gewissenhafte Bezeugung und intersubjektive Anerkennung der erlittenen Gewalt und speziell der posttraumatischen Belastungen eine überaus wichtige Rolle. Ohne Möglichkeiten der bestätigenden Kommunikation über die erlittenen Versehrungen und ihre Folgen in historischen Verletzungsverhältnissen wird den Opfern kollektiver Gewalt erneut und fortgesetzt Unrecht zugefügt. Dies zu vermeiden, ist eine soziale und politische Aufgabe ersten Ranges.

Zu ihrer Erfüllung können auch die Wissenschaften einen Beitrag leisten. Deren im Forschungsdialog mit den betroffenen Menschen gewonnenen Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für die kognitiv und vor allem emotional herausfordernde Verständigung in Gesellschaften, in denen zahllose Spuren von Gewalt alltäglich sind und die Interaktionen zwischen Gruppen oder Individuen bestimmen können. Dies gilt unter anderem für postmigrantische Einwanderungsgesellschaften, in denen nicht nur kulturelle Unterschiede, sondern auch oftmals unabgeschlossene Geschichten zugefügter und erlittener Gewalt besondere Herausforderungen für wechselseitige Toleranz und eine friedliche Koexistenz darstellen.
Vergessen, Verschweigen, Verleugnen, Verstecken, Verdrängen und verwandte Weisen des Ungeschehenmachens oder Ignorierens stellen in historischen Verletzungsverhältnissen keine annehmbare Option dar – jedenfalls dann nicht, wenn das friedfertige Zusammenleben heterogener Gemeinschaften und Gruppen angestrebt wird. Die offene Aussprache und die an Kriterien der Wahrhaftigkeit und Wahrheit orientierte Aushandlung strittiger Aspekte der Vergangenheit und Gegenwart sind notwendige Bedingungen einer Befriedung des Zusammenlebens ehemaliger Gegner oder verfeindeter Gruppen.

Die Dissertationsvorhaben im Kolleg sollen sich mit Problemen und Potentialen der öffentlichen Artikulation von kollektiven Gewalterfahrungen befassen, die bei vielen Betroffenen anhaltende psychosoziale Verletzungen hinterlassen haben, häufig in Gestalt posttraumatischer Belastungen und seelischer Störungen. Solche das Erlebnis- und Handlungspotential beeinträchtigenden Folgen können auf dem Weg transgenerationaler Übertragungen bekanntlich auch nachkommende Generationen in Mitleidenschaft ziehen. Dadurch werden sie zu außerordentlich langfristigen Herausforderungen für viele Gesellschaften des 21. Jahrhunderts.

Mögliche Betreuer:innen für Dissertationsprojekte

Die Dissertationen können von den am Kolleg beteiligten Professor:innen und Privatdozent:innen betreut werden (je nach thematischem Interesse und Forschungsausrichtung der Stipendiat:innen):


Iris Därmann (Humboldt-Universität Berlin, Kulturwissenschaft)
Karim Fereidooni (RUB, Didaktik der Sozialwissenschaften, Rassismusforschung, postkoloniale Studien)
Benigna Gerisch (IPU, Psychoanalyse, klinischer oder sozial- und kulturwissenschaftlicher Schwerpunkt)
Christian Gudehus (RUB, sozialwissenschaftliche/interdisziplinäre Gewaltforschung)
Andreas Hamburger (IPU, Psychoanalyse, Film- und Medienwissenschaft)
Phil Langer (IPU, Sozialpsychologie, Psychoanalyse)
Katja Sabisch (RUB, Gender Studies, Soziologie)
Jürgen Straub (RUB, Kulturpsychologie, Mikrosoziologie) (Sprecher)
Lutz Wittmann (IPU, Psychoanalyse, klinischer Schwerpunkt)

Informationen zur Bewerbung

WEITERE INFORMATIONEN ZUM GRADUIERTENKOLLEG

Nähere Informationen zum Graduiertenkolleg, zu exemplarischen Themen der Dissertationsprojekte, zu den Auswahlkriterien sowie zu den betreuenden Professor:innen finden sich auf den Websites von IPU und KKC (www.ipu-berlin.de; www.kilian-koehler-centrum.de). Über die Stipendienvergabe wird Ende Oktober 2022 entschieden. Stipendiat:innen haben Präsenzpflicht in Berlin und/oder Bochum und verpflichten sich zur Teilnahme an den Kollegveranstaltungen, die im Januar 2023 beginnen.

Die Bewerbungsfrist endet am 15. Oktober 2022


Weitere Auskünfte erteilt die Koordinatorin des Kollegs Dr. des. Ines Gottschalk:
Ruhr-Universität Bochum
Fakultät für Sozialwissenschaft
Lehrstuhl für Sozialtheorie und Sozialpsychologie
Universitätsstr. 150
Gebäude GD, Raum E1.229
D-44801 Bochum
Tel.: +49 (0)234-27151